Piaggio Superbravo 2

Die Piaggio Superbravo 2 ist so ein Einhorn unter den Mofas. Viele haben davon mal gehört aber nur wenige haben mal eine gesehen und noch weniger besitzen eine.

Zur Superbravo gibt es auch mehrere Videos auf meinem Youtube Kanal.

Leider gibt es verdammt wenig Informationen über dieses Mofa, aber genau das will ich ändern. Mir selbst ging es ja auch so, ich habe die Superbravo 2 gekauft weil sie mir mehr oder weniger zufällig über den Weg lief und mich schon immer interessierte wie das mit dem 2-Gang Getriebe funktioniert.

Wenn man Tante Google bemüht findet man nur sehr wenig aussagefähige Bilder und bei den Videos sieht es noch schlechter aus. So will ich mich hier bemühen diese Lücke im Netz so gut wie möglich zu füllen.

 

Stück für Stück werde ich die technischen Daten weiter unten einfügen und immer wieder ergänzen.

 

Soweit mir bekannt ist sind ca. 4.000 Stück von den Dingern gebaut worden. In Italien gab es die 2-Gang Version nicht, da gab es dafür die Superbravo 3 mit satten 3 Gängen als Superbravo "Redskins". Davon wurden von 1987 bis 1990 2.500 Stück produziert. Nach Aussagen aus einer Quelle in Italien sind allerdings 2004 mit der Einführung der Kennzeichen- und Versicherungspflicht in Italien viele Mopeds verschrottet worden.

Es gab auch Ausführungen mit Kickstarter (nicht in Deutschland), wobei das eigentlich kein "echter" Kickstarter war. Hier war auf der rechten Seite des Motors ein kleiner Zahnkranz angebracht. Die kleine Motorgehäusehälfte war also offen mit einem Durchbruch für die Kurbelwelle auf der dieser Zahnkranz sitzt. An der Tretwelle sass ein grösserer Zahnkranz mit einer Rückholfeder und einer Kette die die Kickbewegung (es muss nach vorn gekickt werden) direkt auf die Kurbelwelle überträgt.

 

Viele Teile sind aber von der 3-Gang Version kompatibel. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Ersatzteilsituation ist der Rarität des Mofas gleichzusetzen. Es gibt nicht viel am Markt, Teile sind rar und teuer, sofern man überhaupt etwas bekommt. Selbst in Italien ist nicht sehr viel zu haben. Wer sich so ein "Einhorn" anschafft sollte wissen das vieles anders ist bei diesem Modell, auch wenn es zunächst den Eindruck macht es stammt aus dem Piaggio Baukasten.

 

Sowohl das Lagerschild der Hinterachse als auch die Zahnkranzaufnahme sind anders als bei den üblichen Piaggio Mofas, auch die Seitenverkleidungen sind völlig anders und werden, sofern man sie noch irgendwo bekommt, mit Gold aufgewogen.

Auch der Tank, der übrigens aus Kunststoff besteht ist extrem selten.

Um die Kupplung zu demontieren muss man zunächst den Sicherungsring (Nr. 17 im Bild oben) entfernen und die kleine Deckplatte entnehmen. Dahinter befindet sich die Befestigungsmutter für die Kupplung. Anschliessend kann man die komplette Kupplung im Paket abziehen. Leider ist diese Prozedur auch fällig wenn man den Zahnriemen wechseln muss, man bekommt den Zahnriemen sonst nicht zwischen Kupplung und Getriebe durchgezogen.

Die noch montierte Kupplung.

Die Kupplung nachdem der Sprengring gelöst wurde (Achtung, die Federn haben mehr Druck als man erwarten würde).

Nach dem abnehmen der Deckscheibe und den Federn. Die Federn sind nur aufgesteckt.

Nach abnehmen des Federtellers, man sieht die rostige Tellerfeder.

Jetzt ohne Tellerfeder. Diese liegt in einer Nut des Federtellers.

Dann kommt die äussere Stahlscheibe.

Nun sieht man die Belagplatte. Diese löst man über die 3 Schrauben.

Darunter befindet sich die innere Stahlscheibe.

Nun kann man die Grundplatte entnehmen.

Achtung: Unter der Grundplatte befinden sich Scheiben zum Ausgleich.

Am interessantesten ist natürlich der Antrieb. Dieser erfolgt nicht über einen Keilriemen wie bei allen anderen Piaggio Mopeds sondern über einen Zahnriemen. Auf der Kurbelwelle sitzt eine fest angebrachte Zahnriemenscheibe, hinten am Getriebe eine Trockenkupplung. Das 2-Gang Ziehkeilgetriebe sitzt in der Nabe wie es auch bei den anderen Getriebevarianten (Mono/Vario) der Fall ist.  Die Gangwahl erfolgt über einen Drehgriff am linken Lenkerende und ist auch typisch Piaggio: Der erste Gang wird durch Drehen des Griffs nach hinten eingelegt, der zweite Gang nach vorn, also nicht wie bei den deutschen Mopeds. Der Zahnriemen verfügt über eine federbelastete Spannrolle.

Zahnriemen tauschen:

 

Den Zahnriemen (HTD 1080-8M-15) bekommt man bei eingebauter Kupplung nicht von der hinteren Riemenscheibe. Um den Zahnriemen herunterzubekommen nimmt man den Sprengring ab, nimmt die Deckscheibe ab und löst dann die 19mm Mutter dahinter. Jetzt kann man die Kupplung komplett abziehen und den Zahnriemen tauschen. Da ja aber wie auf dem Bild oben zu sehen ist diese Distanzscheiben zwischen Riemenscheibe und Kupplung sind ist es extrem fummelig die Kupplung wieder aufzusetzen weil die Scheiben exakt sitzen müssen und immer verrutschen. Entweder man fixiert die Scheiben einmal bei ausgebauter Kupplung mit einer Langnuss die den Durchmesser der Welle hat oder man löst die 3 Kreuzschlitzschrauben, steckt dann zunächst die Riemenscheibe auf die Welle und anschliessend steckt man die Ausgleichsscheiben auf. Danach steckt man das Kupplungspaket auf und befestigt es wieder mit den 3 kleinen Schrauben. Danach kann man die Wellscheibe und die 19mm Mutter (DIN 936 M12 x 1,25) aufsetzen. Etwas Schraubensicherung schadet hierbei nicht.

ACHTUNG: Die obige Explosionszeichnung zeigt das 3-Gang Getriebe. Da baut das Getriebe aufgrund des 3. Ganges tiefer, daher ist auch der Ausrückstift für die Kupplung länger.

Hier ist der kleine Deckel gelöst. Darin sitzt der Schubklotz für den Ziehkeil.

So sieht es aus wenn man den Getriebedeckel löst.

Der Getriebedeckel wird mit 8 M6 Schrauben gehalten. Vorher muss aber der kleine Deckel (3 Inbusschrauben) entfernt werden. Am Getriebedeckel gibt es 3 Gussansätze an denen man ansetzen kann um den Getriebedeckel zu lockern.

Hier sieht man die Getrieberäder. Die Eingangswelle hat keine Anlaufscheibe. Das kleine Getrieberad hat jeweils eine Anlaufscheibe oben und unten und das mittlere Getrieberad mit den 3 Zahnrädern hat unten eine Anlaufscheibe und oben ein Nadellager und eine Anlaufscheibe. Die Schalträder bekommt man erst heraus wenn man den grossen Seegerring (oben rechts im Bild) entfernt.

Hier sieht man die Hauptwelle. Links den Ziehkeil und in der Mitte das Schaltkreuz. Wenn man an die Federn und Kugeln für den Ziehkeil gelangen will muss man die Hülse zerstören und danach erneuern. Ich würde die Finger davon lassen wenn die Einheit korrekt arbeitet. Diese Hülsen bekommt man nicht mehr !!

Auf der Eingangswelle (rechts im Bild) sitzt ein O-Ring. Der dichtet gegen die Hülse ab auf der das Nadellager für die Kupplung läuft.

Die Schaltung ähnelt der Schaltung vom Vespa Roller. Die Schaltung wird über 2 Bowdenzüge betätigt die an der Schaltwelle per Klemmschraube befestigt sind. Die Eingangswelle ist hohl, darin befindet sich der Ausrückstift für die Kupplung. Den Kupplungshebel erkennt man oben links.

Achtung: Für die Befestigung des Hinterrades gibt es bei der Superbravo 2 andere Befestigungsschrauben. Diese haben ein Feingewinde !!! (M10 x 16 1,25 DIN 961 Vollgewinde).

Hier kann man gut die Bremse erkennen und rechts im Bild den Übertragungshebel für die Kupplung. Die Bremsbacke ist deutlich grösser als bei den anderen Piaggio Mopeds.

Hier sieht man die Zahnriemenscheibe auf der Kurbelwelle. Wie man unschwer erkennen kann ist der Kurbelwellenstumpf für die Aufnahme deutlich kürzer, die Superbravo 2 hat also eine andere Kurbelwelle.

Fun fact: Dadurch ist der herkömmliche Polradabzieher natürlich viel zu lang.

Da wir ja nun anstatt des Bremshebels am linken Lenkerende eine Kupplung haben verfügt die Superbravo 2 über eine Rücktrittbremse. Hier geht ein kurzer dicker Bowdenzug zur Bremse in der Hinterradnabe.

Die Originalbereifung Pirelli ML 14 wird nicht mehr hergestellt, aber die Heidenau K46 36B kommen dem Oroiginal recht nahe und sind noch zu bekommen.

Auch das Lagerschild für das Hinterrad ist anders als bei den übrigen Piaggio Mopeds. Auch sind hier andere Schrauben verwendet worden als üblich. Hier kommen Schrauben M10 x 16 mit 1,25 Gewinde rein.

Technische Daten:

 

Piaggio Superbravo 2 (EMC1T)

ABE-Nr.: D720f

Hersteller: Piaggio (HSN 4013)

Typ: Bravo (TSN 904000)

Höchstgeschwindigkeit: 25 km/h

Motor: EMC1M Einzylinder Zweitakt

Hubraum: 49 cm³

Bohrung: 38,2 mm

Hub: 43 mm

Leistung: 1 kW bei 4.000 U/Min.

Verdichtung: 9:1

Zündzeitpunkt: 19° v. OT

Zündkerze: Bosch W10AC, NGK B5HS, Champion L90

Mischungsverhältnis: 1:50

Vergaser: Dell´Orto SHA 12.10, HD wahlweise 41/42/43

Primärantrieb: Zahnriemen (HTD 1080-8M-15)

Sekundärantrieb: 2-Gang Getriebe manuell

Getriebeöl: 130 cm³ SAE 40

Simmerring Eingangswelle: 20 x 30 x 5

Simmerring Ausgangswelle: 35 x 47 x6

Befestigungsschrauben Hinterrad: M10x16 Feingewinde 1,25

Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung

Zahnriemenscheibe Motor: 19 Zähne

Zahnriemenscheibe Getriebe: 38 Zähne

Übersetzung 1. Gang: 1/30,24

Übersetzung 2. Gang: 1/19,20

Scheinwerfer: 6V 15W P26s

Rücklicht: 6V 4W Ba9s

Federung vorn: ölgedämpfte Teleskopgabel

Ölmenge Telegabel: ca. 30 cm³ SAE 20 Gabelöl

Federbeine hinten: mechanisch mit Spiralfeder

Felgengrösse vorn und hinten: 1.60 x 16

Bereifung vorn und hinten: 2 3/4-16 (2,75 -16) Pirelli ML 14

Luftdruck vorn: 1,1 bar

Luftdruck hinten: 2,0 bar

Bremse vorn: Trommel ø 104 mm

Bremse hinten: Trommel ø 186 mm

Leergewicht: 56 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 150 kg

Länge: 1640 mm

Radstand: 1080 mm

Breite: 700 mm

Höhe: 1070 mm

Zahl der Sitzplätze: 1

Standgeräusch: 76 dB (A) bei 3.000 U/Min.

Fahrgeräusch: 69 dB (A)

Tankinhalt: 3,4 Liter (davon 0,5 l Reserve)

Verbrauch: 1,5 l / 100 km

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© Sebastian Namyslik